Der errechnete Entbindungstermin war erreicht. Bis dato
hatte ich eine tolle komplikationslose Schwangerschaft, die ich in vollen Zügen
genießen konnte. Ich war mit einem Beschäftigungsverbot ab der 14. SSW daheim,
da ich als Krankenschwester in einer Dialyse arbeite.
Der ET liegt zwischen den Jahren, kein Arzt hatte geöffnet.
So fuhren wir ins Krankenhaus in dem ich auch vorhatte zu entbinden um ein
Routine-CTG schreiben zu lassen.
Viele Schwangere, wir warteten lange. Endlich wurde ein
Platz am CTG frei, allerdings auf einem Sofa. Also saß ich während des
CTG´s. 30 Min. sollte es dauern.
Nach ca. 20 Min. sanken die Herztöne auf ca. 60. Ich dachte
der kleine Mann sei weg gerutscht und wartete kurz ab. Dann hörte ich aber auch
wie sein Herzschlag immer langsamer wurde und klingelte nach einer Hebamme. Man
sah ihr die Anspannung an. Ich musste mich auf das Sofa legen, sie rüttelte an
meinem Bauch rief nach einer Ärztin. Die Herztöne wurden wieder besser, ich
musste nun aber 24 Stunden zur Überwachung stationär aufgenommen werden. Der
Schock war groß. Für einen kurzen Moment dachte ich mein Baby stirbt gerade in
meinem Bauch. Mein Mann war ebenso total
schockiert. Ab einem Herzschlag von 55 Schlägen/Min. würde man einen Säugling
der auf der Welt ist bereits reanimieren.
Die Hebamme beruhigte meinen Mann und mich und erzählte uns,
dass unser Baby vielleicht die Nabelschnur in der Hand hatte und sie kurz
festgehalten habe. In anderen Ländern würde es gar keine CTG´s geben, dadurch
hätte man so einen Vorfall überhaupt nicht bemerkt und das Kind wäre trotzdem
putzmunter auf die Welt gekommen.
Ich wurde also stationär aufgenommen, bekam aus reiner
Vorsorge eine Aufklärung zum Kaiserschnitt und einen Ultraschall. Das Baby
wurde auf 3800g geschätzt. Da der ET
erreicht war und man nichts riskieren wollte, würde man mich einleiten wollen,
allerdings erst am nächsten Tag, da die Entbindungsstation momentan sehr
ausgelastet sei.
Na gut. Bis dahin hatte ich ein Verbot den Fahrstuhl zu
benutzen. Ich sollte alle Treppen mitnehmen, die es gab. Vielleicht ginge die
Geburt so ja von alleine los.
Mein Mann fuhr zwischenzeitlich heim und holte meine Sachen.
Wir hatten das Glück, dass er mit in mein Zimmer ziehen konnte.
Am Nachmittag und am Abend hatte ich jeweils einen
CTG-Termin. Nachmittags war ich alleine, da mein Mann in dieser Zeit meine
Sachen zuhause holte. Da lag ich, mit heftigen Symphysenschmerzen, keiner
einzigen Wehe und die Herztöne unseres Babys sanken wieder. Diesmal auf 80/90
Schläge/Min. Die Hebammen baten mich jedes Mal meine Position zu wechseln, also
wälzte ich mich im Bett umher, bis wir eine Position gefunden hatten, in der
sich das Baby erholte und die Herztöne wieder stabil waren. Der Arzt kam zum Gespräch und sagte uns, dass
unser Baby Stress hätte und man nicht wüsste woher dies komme. Am Abend solle
ich nochmal zum CTG kommen. Gesagt, getan.
Wieder das Selbe, die Herztöne fielen ab, ohne jegliche
Wehe. Einfach so. Die ganze Schwangerschaft war doch alles in Ordnung. Bei
jedem Herztonabfall bekam ich Angst, Angst, dass das kleine Herz aufhört zu
schlagen, Angst, dass es unserem Baby schlecht geht. Angst vor einem
Kaiserschnitt.
Während der Oberarzt im OP Zwillinge entband, sah er auf
einem Bildschirm meine CTG-Kurve. Da wieder ein deutlicher Abfall zu
verzeichnen war und unser Baby sich laut dem Oberarzt von jedem Herztonabfall
schlechter erholte fiel das Wort Kaiserschnitt recht schnell. Zuerst wolle man
mir aber einen Wehenhemmer spritzen und eventuelle Wehen verhindern, die
eventuell zu diesen Abfällen der Herztöne führten. Ich musste fast weinen, denn
ich wollte doch eigentlich endlich Wehen bekommen, dass unser kleiner Schatz zur
Welt kommt.
Der Wehenhemmer haute rein, ich wurde zittrig, mein Puls
stieg. Normale Nebenwirkungen. Doch auch unter dem Wehenhemmer sanken die
Herztöne.
Der Oberarzt kam und empfahl uns jetzt gleich einen
Kaiserschnitt machen zu lassen. Total perplex und völlig überfordert mit der
Situation entschieden wir uns dazu unser Baby nicht zu gefährden und willigten
ein.
Ich fragte, ob ich noch schnell duschen dürfte. Dem Oberarzt
war das aber zu gefährlich und so musste ich mich sofort in ein schickes
OP-Hemd begeben, bekam Kompressionsstrümpfe an, mein Mann rannte in unser
Zimmer um das Set für die Plazentaglobuli zu holen und brachte unsere Handys
auf das Zimmer. Als er wieder kam, saß ich aufgeregt und gleichzeitig voller
Vorfreude auf unser Baby auf dem Bett und fragte ihn ob er das Handy für Fotos
nach der Geburt bereit hätte. Nein hatte er nicht, die waren ja auf unserem
Zimmer.
Also rannte er nochmal hoch, voller Panik, er würde den
Kaiserschnitt verpassen, kam aber zum Glück wieder rechtzeitig kurz bevor ich
die letzten Meter als Schwangere im OP-Hemd in den OP watschelte.
Die Rückenmarksanästhesie wurde gelegt. Das war garnicht so
schlimm. Viel schlimmer war, die Braunüle die nochmals neu auf meiner
Handoberfläche gelegt werden musste und die Aufregung, gepaart mit Vorfreude
und den Nebenwirkungen des Wehenhemmers.
Das OP-Team war toll und hatte gute Laune. Sie banden mich
in ihr Gespräch mit ein, wollten wissen wie unser Baby heißen wird und
erklärten mir jeden Schritt genau.
Als die Rückenmarksanästhesie zu wirken begann kribbelten
meine Beine und ziemlich schnell spürte ich nichts mehr. Meine Arme wurden
rechts und links fixiert. Vor mir wurde ein Tuch gespannt was die Sicht auf
meinen noch kugelrunden Bauch verdeckte. Ich schaute ständig zur Tür ob mein
Mann reinkommt. Der Oberarzt desinfizierte meinen Bauch und meine Beine. Ich
spürte, dass er etwas an meinem Bauch macht, aber mehr nicht. Ich bekam einen
Blasenkatheter gelegt und wurde an mehreren Stellen gezwickt und gefragt ob ich
das spüre. Alles war taub, das beruhigte mich.
Mein Mann kam rein. Der erste Schnitt wurde gemacht. Es
ruckelte, sie rissen meinen Bauch auf. Ich hörte wie jemand das Fruchtwasser
und das Blut absaugte. Es ruckelte, ich rucktelte, ich verspürte einen Druck
und da war er: Der erste Schrei von unserem Kind. Ich weinte vor Glück und vor
Erleichterung. Finn war geboren. Am
27.12.2015 um 20.35 Uhr.
Sie zeigten ihn uns nur ganz kurz und verschwanden dann mit
ihm zur ersten Untersuchung. Meinen Mann nahmen sie mit. Das war mir wichtig.
Ich wollte nicht, dass Finn alleine ist.
Jetzt musste ich wieder zusammen genäht werden. Das war eine
lange Zeit. Ich wollte zu meinem Kind. Zwischendurch erfuhr ich, dass Finn
rundum gesund und putzmunter ist. Das hat mich sehr beruhigt.
Nach ca. 25 Min. war ich wieder zusammen geflickt. Ich wurde
zu meinem Kind gefahren. Im Kreißsaal saß mein Mann mit freiem Oberkörper und
hatte Finn auf dem Arm. Er wurde mir sofort auf die Brust gelegt. Er war so
weich, so warm und so perfekt. Mein kleiner Junge. Gesund und munter. Ich legte
ihn direkt an und er trank super gut die ersten kleinen Tropfen Milch.
Der Oberarzt kam zu uns um uns zu gratulieren und erst dann
gab er zu wie heikel die Situation gewesen ist. Im Nachhinein verstand ich auch
warum ich nicht mal mehr duschen gehen durfte. Es ging wohl wirklich um jede
Minute, Finn war in meinem Bauch nicht mehr sicher.
Bis heute bleibt die Frage offen, was der Grund für die
Herztonabfälle war. Was gewesen wäre, wenn wir nicht zum Routine-CTG gefahren
wären. Das Wichtigste jedoch ist, dass wir einen quitschfidelen supersüßen
Jungen haben den ich so sehr liebe, dass ich es nicht in Worte fassen kann. Er hat mich zur Mama gemacht. Ich könnte glücklicher und stolzer nicht sein. Dieser Tag hat unser Leben verändert - komplett, und ich liebe es!
Dennoch musste ich viele Monate verarbeiten was wir erlebt
haben und damit klar kommen das Finn nicht auf natürlichem Wege zu Welt kam.